Prüfbedingungen nach SIGAB und SIA 118/272 (Sichtprüfung)
In der Schweiz werden Glasoberflächen nach klar definierten Kriterien visuell geprüft, um Kratzer oder andere Schäden zu bewerten. Gemäß SIGAB-Richtlinie 006 („Visuelle Beurteilung von Glas am Bau“) und den Baustandards (u.a. SIA 118) erfolgt die Abnahme mittels optischer Sichtprüfung unter festgelegten Bedingungen:
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Betrachtungsabstand:
 
Etwa 3 Meter Abstand von der Glasfläche. Ist der Raum kleiner (z.B. schmale Flure oder Badezimmer), wird die vorhandene Raumtiefe als Distanz genutzt.
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Lichtverhältnisse:
 
Diffuses Tageslicht oder normales Raumlicht; keine direkte Sonneneinstrahlung oder gezielte Beleuchtung, insbesondere kein Streiflicht, das Mängel unnatürlich hervorhebt. Die Prüfung findet idealerweise bei bedecktem Himmel statt (bzw. gleichmäßiger Innenbeleuchtung).
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Betrachtungswinkel:
 
Senkrecht zur Glasoberfläche von der Hauptansichtsseite aus. Bei durchsichtigen Verglasungen (z.B. Trennwänden) wird nach Möglichkeit von beiden Seiten geprüft. Geringe Abweichungen bis etwa 30° zur Senkrechten sind zulässig, um die Scheibe im üblichen Nutzungswinkel zu betrachten.
- lSauberkeit und Markierung:
 
Die Glasscheiben müssen sauber sein; eventuelle Beanstandungen dürfen nicht vorab markiert werden, damit die Beurteilung unbeeinflusst bleibt.
Diese Prüfbedingungen entsprechen den allgemein anerkannten Regeln. Auch SIA Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) schreibt eine solche Sichtprüfung vor. Kleine Kratzer oder ähnliche Spuren, die unter den obigen Bedingungen aus 3 m Entfernung nicht erkennbar sind, gelten demnach nicht als Mangel.
Die Abnahme von Glasarbeiten erfolgt also nach dem Kriterium der normalen Nutzungssicht: Was der Betrachter aus üblichem Abstand bei normalem Licht nicht sieht, wird toleriert.
Geltungsbereich: Alle Glasflächen (auch innen)
Die beschriebenen Beurteilungskriterien gelten für alle bauüblichen Glasflächen, egal ob innen oder aussen. Die SIGAB-Richtlinie 006 erfasst das gesamte Spektrum von Bauglas, darunter Fenster- und Fassadenglas, aber eben auch Innenverglasungen wie Spiegel (Silberspiegel), Duschabtrennungen, Glastüren oder Büro-Trennwände aus Glas. Somit wird z.B. ein Badezimmerspiegel oder eine Glasduschwand nach den gleichen Prinzipien beurteilt wie eine Fassadenscheibe. Natürlich ist bei kleinen Innenräumen der Prüfabstand entsprechend der Raumgrösse angepasst (siehe oben). Entscheidend ist, dass die Beurteilung unter den üblichen Betrachtungsbedingungen der jeweiligen Nutzung erfolgt, bei Spiegeln also aus typischer Abstand im Raum, bei Glastrennwänden von beiden Seiten etc. Auch Beschichtungen oder Tönungen werden berücksichtigt: man prüft stets von der Seite, von der aus die Glasscheibe primär genutzt bzw. betrachtet wird.
Für alle Glasarten und -produkte (Floatglas, ESG, VSG, Isolierglas, beschichtetes Glas etc.) existieren in der Richtlinie spezifische Toleranzwerte, aber die grundlegenden Sichtprüfungs-Bedingungen bleiben gleich. Kurz gesagt: Überall dort, wo Glas im Bau eingesetzt wird, ob Fenster, Türverglasung, Spiegel oder Duschkabine, gelten diese Schweizer Bewertungsmassstäbe.
Kriterien: Schaden oder tolerierbarer Schönheitsfehler?
Ob ein Kratzer oder anderer Befund als Schaden (Mangel) einzustufen ist, hängt von Grösse, Anzahl und Sichtbarkeit des Fehlers ab. Die SIGAB-Norm unterscheidet verschiedene Fehlerarten und definiert Zulässigkeiten (Toleranzen) je nach Ausprägung und Position auf der Scheibe (Hauptsichtzone vs. Randbereich). Im Folgenden die wichtigsten Richtlinien zur Beurteilung:
Haarkratzer (sehr feine Kratzer): Als Haarkratzer bezeichnet man mikroskopisch feine Kratzer, die mit dem Fingernagel nicht spürbar sind und nur bei direktem Streiflicht auffallen. Solche feinen, vereinzelten Kratzer gelten in der Regel als tolerierbar, solange sie nicht gehäuft auftreten und unter den normalen Prüfbedingungen (3 m, diffuses Licht) praktisch unsichtbar bleiben. Sie stellen also meist keinen Schaden dar, sondern werden als optisch vernachlässigbar eingestuft.
Kratzer mittlerer Intensität: Dies sind Kratzer, die man mit dem Fingernagel gerade spüren kann und die bei der standardmässigen Prüfung erkennbar werden. Einzelne mittelstarke Kratzer sind bis zu einer begrenzten Länge noch zulässig. In der Hauptzone einer Scheibe dürfen z.B. einzelne Kratzer solcher Art nur einige Zentimeter lang sein, in der Randzone etwas länger, ehe sie als Mangel gelten. Ausserdem darf die Summe aller Kratzer in einem Feld gewisse Gesamtlängen nicht überschreiten. Sind mehrere mittlere Kratzer vorhanden, werden ihre Längen addiert und ebenfalls limitiert toleriert (in größeren Scheiben etwas mehr als in kleinen). Vereinfacht gesagt: kurze, vereinzelte Kratzer mittlerer Stärke können akzeptabel sein, aber häufen sie sich oder werden sie länger, gelten sie als Schaden.
Tiefe bzw. schwere Kratzer: Kratzer schwerer Intensität sind deutlich fühlbar, können abgeplatzte Ränder haben und sind aus jedem Winkel sofort erkennbar. Solche Kratzer werden kaum toleriert. Bereits ein einzelner tiefer Kratzer, der mit blossem Auge bei diffusem Licht auffällt, stellt in der Regel einen nicht akzeptablen Mangel dar. Die Norm erlaubt hier allenfalls sehr kurze Längen (z.B. < 2–3 cm) in Ausnahmefällen. Praktisch bedeutet das: ein grober Kratzer, der ins Glas eingeschnitten ist oder weiße „Schlieren“ hat, gilt klar als Schaden, der beseitigt werden muss (etwa durch Auspolieren oder Scheibentausch).
Punktförmige Fehler (Einschlüsse, Spritzer, Einbrennpunkte): Unter diese Kategorie fallen kleine Punkte, Bläschen oder Flecken im Glas. Sie können aus der Produktion stammen (z.B. kleine Luftblasen, Einschlüsse) oder erst vor Ort entstehen, etwa Farbspritzer oder durch Flexarbeiten eingebrannte Metallpartikel auf der Oberfläche. Zulässig sind sehr kleine Punkte bis ~0,5 mm praktisch unbegrenzt, da sie mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar sind. Auch einzelne Punkte um ~1 mm sind normalerweise kein Mangel, sofern sie vereinzelt bleiben (nicht mehr als 3–4 Stück auf engem Raum). Grössere Punkte um ~2 mm Durchmesser dürfen in der Hauptzone nur in geringer Anzahl vorkommen (z.B. maximal 3 Stück bei kleinen Scheiben). Alles darüber hinaus, insbesondere Punkte >3 mm, ist in der Hauptsichtzone nicht zugelassen und würde als Schaden beanstandet. Ein Einbrennpunkt durch Flexarbeiten (Schweiss-/Schleiffunken, die ins Glas eingebrannt sind) erzeugt meist einen dunklen, rauen Fleck. Bereits aus 3 m Abstand können solche Spritzer auffallen, da sie das Licht anders reflektieren. In der Praxis gilt: Sichtbare Einbrennpunkte sind nicht tolerierbar, zumal sie das Glas irreversibel schädigen. Häufig können solche Einbrandmarken durch ein Auspolieren vollständig entfernt werden.
Kantenbeschädigungen (Glasmuscheln): Hiermit sind kleine Absplitterungen am Glasrand gemeint, oft halbmondförmig („Muscheln“). Solche Randmuscheln können z.B. beim Zuschneiden oder durch einen Schlag auf die Kante entstehen. Im verdeckten Randbereich einer Verglasung (der Falz, der später im Rahmen sitzt) sind kleine, flache Abplatzungen meist akzeptabel, solange die Statik nicht beeinträchtigt ist. Befindet sich eine Absplitterung jedoch im sichtbaren Bereich der Scheibe (also ausserhalb der Rahmenabdeckung), wird sie wie ein punktförmiger Fehler beurteilt. Kleinere Abplatzungen könnten unter die oben genannten Toleranzen für Punkte fallen – grosse oder auffällige „Muscheln“ in der Sichtfläche stellen hingegen einen Mangel dar und sind unzulässig. Ein deutlich sichtbarer Ausbruch am Rand der freien Glasfläche würde demnach als Schaden gelten und z.B. beim Bauabnahmetermin beanstandet werden.
Zusammenfassung für die Praxis:
Massgeblich ist, ob ein Kratzer oder Fleck unter normalen Betrachtungsbedingungen ins Auge fällt. Nach Schweizer Norm gilt ein Glas als einwandfrei, wenn etwaige Makel nur bei bewusstem Suchen unter ungünstigem Licht sichtbar werden. Nicht jeder feine Kratzer ist also ein Schaden. Insbesondere kleinste Kratzer oder Oberflächenspuren, die aus 3 m Distanz bei diffusem Licht nicht erkennbar sind, gelten nicht als Mangel. Kunden sollten informiert werden, dass eine absolut lupenreine Glasfläche in der Baupraxis kaum realistisch ist, minimale Punkte oder Haarkratzer können auftreten, liegen aber im Toleranzbereich der Norm. Als Schaden zu werten sind hingegen all jene Kratzer und Beschädigungen, die offensichtlich sichtbar sind und die festgelegten Toleranzen überschreiten. In solchen Fällen besteht ein Reklamationsgrund, und die Scheibe muss entweder nachgebessert (z.B. professionell poliert) oder, falls die Beeinträchtigung zu stark ist, ersetzt werden.
Diese klare Richtlinie nach SIGAB und SIA stellt sicher, dass sowohl Handwerker als auch Kunden eine einheitliche Basis zur Beurteilung von Glasfehlern haben und objektiv entscheiden können, ob es sich um einen behebbaren Schaden handelt oder um ein hinzunehmendes optisches Merkmal.
Quellen: Die obigen Informationen basieren auf der SIGAB-Richtlinie 006 „Visuelle Beurteilung von Glas am Bau“ (Ausgabe 2015/2024), den Schweizer Normen (SIA 118 und SIA 331) sowie branchenüblichen Toleranzangaben. Diese Richtlinien werden von Schweizer Glasfachverbänden und Herstellern (z.B. Flachglas Schweiz, Glas Trösch) empfohlen und in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler Fensterbauer explizit genannt. Sie dienen als anerkannte Grundlage, um Glasoberflächen fair und einheitlich zu bewerten und unseren Kunden transparent zu machen, wann ein Kratzer ein echter Schaden ist und wann nicht.
Arten von Glasschäden – ein Überblick
Glas kann auf unterschiedliche Weise beschädigt werden, beispielsweise durch mechanische Einflüsse, chemische Substanzen oder plötzliche Temperaturschwankungen. Je nach Ursache entstehen dabei verschiedene Schadensbilder: feine Kratzer auf der Oberfläche, matte Verätzungen oder sogar Risse und Sprünge im Glas. Für eine erste Einschätzung ist es wichtig, diese häufigen Glasschäden zu kennen und voneinander unterscheiden zu können.
Unser PDF „Arten von Glasschäden“ bietet Ihnen dazu eine übersichtliche Orientierungshilfe. Darin erklären wir die gängigsten Schadensarten, ihre typischen Merkmale und jeweiligen Ursachen. So können Sie leichter erkennen, ob es sich bei Ihrem Glasschaden um einen oberflächlichen Kratzer, eine chemische Verätzung oder einen tieferen Riss im Glas handelt und den Schaden besser einordnen.
Haben Sie Fragen oder möchten Sie Ihren Glasschaden einschätzen lassen? Rufen Sie uns einfach an oder nutzen Sie unser Kontaktformular. Sie können sogar gleich ein Foto Ihres Glases hochladen. Wir melden uns schnell und zuverlässig bei Ihnen!




